Zweiter Neu/Wiederaufbau Westfalia BJ 1973 (600kg z.Gg)
01 Ansicht hinten rechts.jpg
Eins gleich vorweg, vor dem Wiederaufbau habe ich leider keinerlei Bilder gemacht, da ist bei Euch etwas Vorstellungskraft nötig :-).
Zustand vor der Aktion: Seitenteile (Holz) durchgerottet, Bodenplatte (Siebdruck 21mm) durchgerottet, Celastofedern vergammelt, Kotflügel und Rahmenteile ordentlich korrodiert, Zugmaul ausgenudelt, Beleuchtung nicht mehr zeitgemäß und stark angegriffen und teilweise undicht und beschädigt. Klappen noch verwendbar, aber unansehnlich und starke Gebrauchspuren mit Korrosion an den Einfassungen.
Geschichtliches: Vor 20 Jahren habe ich alle Holzteile von diesem Westfalia bereits einmal komplett ausgetauscht und in einem Anfall geistiger Umnachtung alles dunkelblau lackiert.
Der Materialaufwand war überschaubar, jedoch war der Arbeitsaufwand selbst mit Holz nicht unerheblich.
Wiederaufbau 2010:
Nachdem mir der TÜV fast alle Holzteile bemängalt hat, traf ich die Entscheidung jetzt den Aufbau vorausschauend mit langlebigem Alu zu tätigen.
Seitenteile (Bracken) und Klappen aus Alu, Boardwandhöhe 35 cm, ordenliche Abdichtung gegen eindringende Nässe für alle Holzteile, Unterbodenschutz, Abgedichtete Übergänge
Vorarbeiten: Hänger komplett zerlegen, Rahmenteile und Gestell sauber abschleifen, mit Zinkspray und Unterbodenschutz gegen Korrosion schützen. Die 4 senkrechten 4-Kantrohre aus feuerverzinkten Rohren neu schneiden und einschweißen.
Zugmaul erneuern, Stützrad anbringen, Celastofedern tauschen, Schwingen mit neuen Lagerbuchsen und A2-Bolzen versehen.
Hups, da tauchte das erste ordentliche Problem auf. Die alten Bozen waren ordentlich verrostet und nur mit einer 20t-Presse konnte ich die alten Buchsen mit K-Lager ausdrücken und gegen neue ersetzen.
Aufbau:
Nachdem das Fahrgestell nebst Schwingen und Rahmen lackiert waren und die Eckrohre sitzen, kam das Einpassen der Bodenplatte nebst Aussparungen für die Rahmenschrauben/Muttern. Mit Ausmessen, Anzeichnen und einem Forstener-Bohrer die Aussparungen von unten anbohren, Seitenkanten anphasen (damit die Kanten ins Winkelprofil passen) und alle Schnittflächen entsprechend mit Bootslack / Unterbodenschutz versiegeln. Bodenplatte mit Rahmen verbohren und anschließend verschrauben. Die alten Hammerkopfschrauben (DIN 183) wurden gegen Linsenkopf mit Innensechskant ersetzt (DIN 7380), selbstsichernde Muttern schließen die Bodenplattenverschraubung ab. Die Platte wurde umlaufend mit Klebe-Dichtmasse verklebt um ein Eindringen von Wasser am Unterboden dauerhaft zu unterbinden.
Aluboardwände vorbereiten: Das Profil ist an den Stirnseiten logischerweise offen, zudem die Befestigung der Bracken auch an den 4 Eckrohren erfolgen muß. Also Profilschienen für die Bracken an den 4 Rohrstützen verbohren und vernieten, Bracken einsetzen, ausrichten, mit Profilschinen und Rahmen-Winkelprofil verbohren und vernieten.
Radkästen verbohren und vernieten, die Radkästen sind nur grundiert und schwarz lackiert, neue habe ich nicht verwenden (sind feuerverzinkt). Umlaufend habe ich ein Dichtband verklebt, so bleibt aufgewirbeltes Wasser im Radkasten.
Noch die Halter für Unterlegkeile an den Radkästen anbringen und somit war ein Großteil der Arbeiten erledigt.
Ich hatte bei der Bestellung der ALU-Seitenteile etwas zu ungenau gemessen und die Seitenteile kamen auf den Millimeter genau geschnitten (wie bestellt), aber leider 8mm zu lang.
Also Festo-Kreissäge raus, Festo-Schiene anklemmen und mit voller Drehzahl aber langsamem Vorschub vorsichtig 3mm absägen. Mit einem Hartmetallsägeblatt kein Problem, etwas Geduld, langsames Arbeiten und Schutzbrille vorausgesetzt.
Auch die 4 senkrechten Stützen hatte ich nicht 100% ordentlich senkrecht vor der Verschweißung ausgerichtet. Das konnte ich mit einem 5kg Hammer und ein paar Schlägen dann noch richten.
Die Klappen sind recht schnell vernietet (Stirnwände). Das Verbohren der Fallriegel/Schließen und Ösen sollte immer gut vorbereitet werden, wenn Anbauteile von der Position abhängig sind (bei mir die seitliche Beleuchtung) können 5mm falsche Verbohrung nachher echt Nerven kosten. Die inneren Rippen der Seitenteile sind auch für eine Bohrung echt störend, also genau messen und sorggfälltig planen. Eine Pappschablone brauchte ich nicht, die abgesägten Reste sind als Schablone sehr gut zu verwenden. Glück im Unglück ?
Ich habe lediglich bei den Scharnieren die waagerechten Bolzen ausgetauscht (M12), der Rest der Schließen und Ösen sind ausnamslos original, nur sandgestrahlt und dann verzinkt.
Alle Verschraubungen sind mit Linsenkopf-Innensechskantschrauben (DIN 7380) erfolgt, Ausführung verzinkt, oder wenn sinnvoll in A2 (V2A). Die Mehrkosten für A2 sind unerheblich.
Überstehende Gewinde der Schrauben habe ich sauber von Hand abgesägt (eine Flex hätte die Kunststoffsicherung der Muttern mit der enstehenden Hitze zerstört) und dann mit Flex und Fächerscheibe bis an die Muttern plan geschliffen (vorsichtig und geringe Drehzahl). So bleiben keine Stellen für Verletzungen oder TÜV-Bemängelung an den Schrauben und Muttern und häßliche PVC-Schutzkappen für die Muttern entfallen.
Der alte Nummernschildträger wurde gegen einen Kasten aus verzinktem abgekanteten Stahlblech (2mm) getauscht. Die gesamte Beleuchtung ist auch in den Unterfahrschutz gewandert, neue Leuchten mit Nebelschlussleuchte kamen dabei zum Einsatz. Das Kennzeichen von 1973 habe ich auch gegen ein aktuelles in reflektierend und mit D-Kennung getauscht. Beide Kennzeichen (gültiger TÜV) mit zum Straßenverkehrsamt nehmen, 4,10 € zahlen und gut.
Die Elektrik wurde an allen wesentlichen Stellen erneuert, die Zuleitung und der Stecker waren noch Original und dem Alter entsprechend. Die Zuleitung ist unter dem Boden in PG-Rohr und Flex-PG geschützt verlegt. Ich hatte zwischenzeitlich fast schon eine Umstellung auf LED im Kopf durchgespielt, das ist bautechnisch beding nicht ohne Probleme möglich. Der Kostenaufwand hätte sich zudem noch um gute 100,- nach oben bewegt.
Die Radläufe wurden innen mit Unterbodenschutz gespritzt. Der Unterboden wurde mit Multiwachs gegen Wasser versiegelt, das hält zwei bis vier jahre(abhängig vom Stellplatz) und hat gegenüber dem Unterbodenschutz einen echten Vorteil, Wachs bleibt dicht, Unterbodenschutz nicht. So kann die Siebdruckplatte nicht durch eindringendes Wasser beschädigt werden. Auch wenn die asiatischen Siebdruckplatten wasserfest verleimt sind, die Haltbarkeit/Lebensdauer wird fast immer durch eindringendes Wasser bestimmt.
An dieser Stelle noch meinen aufrichtigen Dank an das Forum für die fachlich kompetenten Antworten, Hilfestellungen und Denkanstöße.
Die Übergänge zwischen Aluboardwänden und Rahmen habe ich zudem mit Silikon von außen abgedichtet, die Radläufe habe ich innen mit Dichtmasse abgedichtet.
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TÜV-Termin:
Auch das ist es wert ein paar Zeilen zu schreiben. Der Gutachter kam raus und ging einmal um den Hänger, blickte auf seine Kladde, blätterte vor und wieder zurück und ging erneut einmal um den Hänger.
„Und der ist wirklich von 73?“
Stolz konnte ich kurz den Wiederaufbau beschreiben. Beim Leuchtentest fragte er noch nach der Nebelschlussleuchte, aber die würde ich bei dem Baujahr ja nicht benötigen. Ich habe dann stolz den Schalter umgelegt und noch den Rückwärtsgang eingelegt. „Respekt“ war die grinsende Antwort.
Noch die Fahrt auf die Grube und Begutachtung von unten: „So einen sauber und erstklassigen Wiederaufbau habe ich in den letzten 10 Jahren nicht gesehen.“ Drei andere Prüfer kamen dann auch noch, um sich das Werk aus der Nähe anzusehen. TÜV-Prüfung mit Lob bestanden, das war es wert
Eingesetzte Materialien:
Gesamte Verschraubung in A2/verzinkt aus dem Fachhandel vorort, ca 40,- €
Alu-Seitenteile, Alu-Klappen, Stirnprofile, ca. 280,- €
4-Kantrohr, feuerverzinkt, 25mm, ca. 10,- €
Siebdruckplatte 21mm, ca. 45,-€
Zugmaul ca. 20,-
Celastofedern, Paar
Stützrad mit Halter, ca. 15,- e
Zinkspray, Lackspray silber, Lackspray schwarz, ca. 30,- €
Klebe-Dichtmasse: 8,- €
Silikon grau, ca.2,50 €
Unterbodenschutz 8,- €
Multiwachsspray
Unterlegkeile, Paar, ca. 15,-€
Reflektoren, 4x orangen, 2 x rot, 2x weiß, ca 10,- €
Stützen hinten, ca. 24,- €
5mm Nieten, nicht gezählt, hatte ich noch auf Vorrat
4 Fächerscheiben (für Flex zum Abschleifen), ca. 10,- €
Rückleuchten , ca. 23,- €
13-Pol-Stecker, ca. 12,- €
Kabel, 13-pol, Reststück, ca. 5,- €
Kennzeichenhalter + neues Nummernschild, ca. 13,- €
Arbeitsaufwand: geschätzt ca. 30 Stunden
Summe überschlagen ca. 650,- €
Eingesetzte Maschinen:
- Akkuschrauber oder Bohrmaschine, passende Bohrer
- kleine Flex
- Festo-Kreissäge mit Festo-Schiene (unnötig bei richtigem Aufmaß)
- Nietzange
- normaler Werkzeugkasten
- Nußkasten
- Schweißgerät (nicht zwingend erforderlich)
- Schraubzwingen
Resumé:
Es wird doch schnell mehr Arbeitsaufwand als vorher geplant war, man wird pingelig und die optischen Ansprüche wachsen mit dem Projekt.
Für 600,- € bekommt man schon einen "neuen" anhänbaren Zugkasten im Baumarkt. Kurze Deichsel, dünnes Zinkblech und lediglich eine Klappe hinten.
Wie lange so eine Blechdose dann draußen im Regen stehen kann, bevor die Entsorgung auf den Schrott erfolgen muß ist absehbar.
Durchlademöglichkeit und ein stabiler Rahmen? Essig, aber das ist allein aus Kostengründen nicht anders machbar. Gespielt hatte ich mit dem Gedanken, zugegeben.
Einen 37 Jahre alten Westfalia neu aufzubauen ist etwas Arbeit und auch bei meiner Aluminium-Variante mit etwas Investition verbunden. Der ganze Aufwand hat sich jedoch gelohnt, solche stabilen Hänger mit einer langen Deichsel sind mit Alu-Aufbau auch nicht gerade günstig zu bekommen.
Zudem viele Anhänger die Klappen außen montiert haben, also ist eine Ladung von langen und schweren Teilen "auf" den Klappen“ technisch nicht möglich, denn die Scharniere biegen sich zu schnell durch. Bei den alten Bauarten schwenken die Klappen nach innen auf die Bodenplatte, somit kann man schwer und lang auch "auf" den Klappen ohne zusätzliche Stützen transportieren.
Was hat es mit der langen Deichsel auf sich? Gespannfahrer kennen das, auch bei Überladung und deutlich überhöhter Geschwindigkeit (beides sollte nur ungewollt passieren) bleibt so ein Hänger mit langer Deichsel ganz ruhig hinter dem Zugfahrzeug. Mit kurzer Deichsel und rudimentärer Federung ist das Fahrverhalten unruhig und bei ungünstigen Straßenverhältnissen wedelt der Hänger wie ein Lämmerschwanz (übertrieben gesehen).
Die Alubracken und Klappen besitzen oben eine umlaufende Nut, das werde ich für eine Boardwanderhöhung nutzen und zur Ladungssicherung leichter Teile. Nutsteine und M8 Verschraubung machen das ganz simpel und montagefreundlich möglich. Die Heckklappe ist dann auch separat und als Ganzes mit Erhöhung klappbar.
Besondere technische Fähigkeiten sind für den Wiederaufbau nicht nötig. Nach 25 Jahren mal wieder zu schweißen ist schon lustig, aber das hätte mir jeder Schrauber um die Ecke für ein kleines Taschengeld auch schweißen können. Nach 50 Nieten schmerzt die Hand ein wenig und bei Arbeiten in der Sonne lassen Schweißtropfen nicht lange auf sich warten, aber wenn der Kleine dann fertig vor Dir steht, dann kannst Du Dich stolz und zufrieden mit einer Flasche Bier zurücklehnen und den Anblick genießen.
Fehlt nur noch ein passender Name, Silver-Runner?
Und hier die ersten Bilder, Detailaufnahmen reiche ich noch nach.
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05 ansicht vorn rechts.jpg06 ansicht vorn.jpg
Bezugsquellen und Hilfestellung für den Aluminium-Aufbau gern auf Anfrage per PM oder Mail.
Danke fürs Lesen und Gruß
Udo