Der Reifen stellt beim Anhänger, genau wie beim PKW, die einzige Verbindung zur Fahrbahn dar. Reifen übertragen die Bremskraft auf die Straße, halten den Anhänger sicher in der Spur und leiten über das Profil Wasser, Schnee und Matsch ab. Dennoch entstehen immer wieder Unfälle, die auf defekte Reifen zurückzuführen sind. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zu niedriger oder zu hoher Luftdruck, Risse und andere mechanische Beschädigungen, spitze oder scharfe Gegenstände, kaputte Ventile, usw. Dennoch schenken viele Anhängerbesitzer ihren Reifen zu wenig Beachtung. Dabei müssen Reifen mitunter ganz schön viel aushalten. Beschädigte Straßen, sehr heiße oder sehr kalte Temperaturen, Alterung und Aushärtung. In diesem Artikel kümmern wir uns daher um alles Wissenswerte zum Thema Reifen am PKW-Anhänger. Vom Kauf des richtigen Reifens über rechtliche Vorgaben bis zur Pflege und Wartung.
Brauchen Anhänger besondere Reifen?
Die Sichtprüfung am Anhänger hat ergeben, dass das Profil schon stark abgefahren ist? Die Reifen am gebraucht gekauften Anhänger sind viel zu alt? Dann ist es Zeit die Reifen zu ersetzen und neue zu kaufen. Viele Anhängerbesitzer stellen sich spätestens jetzt die Frage ob für den Anhänger spezielle Reifen benötigt werden oder ob es nicht auch Autoreifen tun. Immerhin sind beide schwarz und rund. Tatsächlich unterscheidet sich die generelle Fertigung nicht voneinander. In vielen Fällen ist es auch leichter einen Autoreifen mit den richtigen Spezifikationen zu bekommen als einen gesondert ausgewiesenen Anhängerreifen. Es spricht also nicht unbedingt etwas dagegen einen Autoreifen zu montieren, solange alle Vorgaben eingehalten werden.
Es gibt aber auch Anwendungsfälle, in denen es sinnvoll sein kann einen Anhängerreifen zu kaufen. Diese Reifen werden oft stabiler und tragfähiger gebaut. Die Karkasse, also der Unterbau des Reifens, wird dabei mit zusätzlichen Gewebeschichten verstärkt. Das erhöht die Stabilität des Reifens und die Tragfähigkeit. Wankmomente durch Seitenwinde oder Fliehkräfte werden vermindert und der Anhänger bleibt sicherer in der Spur. Zudem benötigen viele Anhänger Reifen mit Spezifikationen, welche auf dem PKW-Markt nicht erhältlich sind.
Die Wahl des richtigen Reifens hängt also nicht von der (Werbe-)Bezeichnung ab sondern vom jeweiligen Einsatzzweck. Unabhängig davon ob ein Autoreifen, Anhängerreifen oder Transporterreifen montiert wird, gilt es in jedem Fall die Spezifikationen im Fahrzeugschein genau zu beachten und zu erfüllen. Zusätzlich kann es gesetzliche Vorgaben geben, die über die Angaben im Fahrzeugschein hinausgehen. Eine Nichtbeachtung dieser Punkte kann zu einem Erlöschen der Betriebserlaubnis führen. Außerdem riskiert man seinen Versicherungsschutz und die Sicherheit von anderen und sich selbst.
Fahrzeugschein
Bei der Wahl des richtigen Reifens sollte zuerst ein Blick in die Papiere des Anhängers geworfen werden. Im Fahrzeugschein sind unter den Punkten 15.1 bis 15.3 die zulässigen Reifengrößen vermerkt. Die Angaben enthalten alle notwenigen Informationen in Form der gängigen Reifenkennzeichnung. Diese kann zum Beispiel wie folgt aussehen: "185/65R14 84L". Doch was bedeuten die Zahlen und Buchstaben einer solchen Kennzeichnung?
1. Reifenbreite / Nennbreite (185/65R14 84L)
Die ersten Ziffern bezeichnen die Breite des Reifens in Millimeter. Die Breite wird gemessen von der Innen- bis zur Außenflanke. In unserem Beispiel ist der Reifen also 185 mm breit.
2. Höhen-Breitenverhältnis (185/65R14 84L)
Die Ziffern nach dem Querstrich bezeichnen das Höhen-Breitenverhältnis des Reifens. Die Zahl gibt die Höhe der Seitenwand im Verhältnis zur Reifenbreite an. Dieser Wert wird in Prozent angegeben und oftmals auch Querschnitt genannt. In unserem Beispiel beträgt die Höhe der Seitenwand des Reifens 65 % der Reifenbreite: 185 mm * 65 % = 120,25 mm.
3. Bauart (185/65R14 84L)
Der Buchstabe nach dem Querschnitt gibt Aufschluss über die Bauart des Reifens. In unserem Beispiel handelt es sich um einen Radialreifen (R). Andere Bauarten sind zum Beispiel Diagonalreifen oder Gürtelreifen.
4. Felgenmaß (185/65R14 84L)
Die Ziffern nach der Reifenbauart geben das Felgenmaß in Zoll an. In unserem Beispiel handelt es sich um eine 14"-Felge. Ein Zoll entspricht 2,54 Zentimeter. Unsere Beispielfelge hat also einen Durchmesser von 35,56 Zentimeter.
5. Lastindex (185/65R14 84L)
Eine ganz wichtige Angabe für Anhängerreifen ist der Lastindex oder auch die Tragfähigkeitsziffer. Diese gibt die Tragfähigkeit des Reifens in Kilogramm an. Unser Beispielreifen hat einen Lastindex (LI) von 84. Das bedeutet, dass der Reifen eine Tragfähigkeit von 500 kg hat. Zum Anzeigen der Tabelle einfach auf den Text klicken:
6. Geschwindigkeitsindex (185/65R14 84L)
Zu guter Letzt ist noch der Geschwindigkeitsindex angegeben. Dieser Wert kennzeichnet die zulässige Höchstgeschwindigkeit des Reifens. In unserem Beispiel handelt es sich um einen L-Reifen. Das bedeutet, dass der Reifen bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h zulassen ist. Für die 100 km/h-Zulassung ist mindestens die Geschwindigkeitsklasse L vorgeschrieben. Auch für alle weiteren gängigen Anhänger reicht dieser Index in der Regel aus. Zum Anzeigen der Tabelle einfach auf den Text klicken:
Reifenkennzeichnung
Die gleichen Angaben wie im Fahrzeugschein finden sich auch auf der Reifenflanke wieder. Darüber hinaus gibt es hier noch weitere Informationen. Ein Reifen gibt zum Beispiel Aufschluss darüber, wann dieser produziert wurde, ob es sich um einen Spezialreifen handelt oder für welche Jahreszeit dieser konzipiert und zugelassen ist. Auf einem Reifen könnten zum Beispiel noch folgende Werte stehen: "DOT 1222", "CP" oder "M+S".
1. Produktionsdatum
Auf jedem Reifen ist das Herstellungsdatum in Form der DOT-Nummer vermerkt. Somit lässt sich jederzeit herausfinden wie alt ein Reifen ist. Die DOT-Nummer beinhaltet in der Regel auch Werte zum Verkehrsministerium und der Zulassung. Für uns sind jedoch nur die letzten 4 Ziffern entscheidend. Die ersten beiden Ziffern geben die Kalenderwoche, die letzten zwei Ziffern das Kalenderjahr an, in dem der Reifen produziert wurde. Steht dort also "1222", wurde der Reifen in der 12. Kalenderwoche des Jahres 2022 produziert. Für die 100 km/h-Zulassung ist zum Beispiel gesetzlich vorgeschrieben, dass das Produktionsdatum des Reifen nicht länger als sechs Jahre zurück liegen darf. Das gilt unabhängig vom Kaufdatum. Abgesehen von solchen Vorschriften ist es in jedem Fall empfehlenswert überalterte Reifen auszutauschen. Eine Faustregel besagt, dass Reifen spätestens nach 6 - 7 Jahren starker Alterung unterliegen, aushärten und sich Risse bilden können.
2. C oder CP
Bei manchen Reifen findet sich zwischen der Felgengröße und dem Lastindex noch ein C oder ein CP. Diese Angabe weist auf Spezialreifen hin. C steht für Cargo-Reifen, also Transporterreifen. CP steht für Caravan-Reifen. Diese Reifen sind ausgelegt auf ganz besondere Anforderungen. C-Reifen sind im Aufbau deutlich verstärkt und halten auch hohe Zuladungen aus. CP-Reifen sind so konzipiert, dass auch bei längerer Standzeit (Campingurlaub) kein Standplatter entsteht.
3. M+S / Alpine-Symbol
Auch wenn in Deutschland keine Winterreifenpflicht für Anhänger besteht, kann es empfehlenswert sein, den Anhänger entsprechend auszurüsten. Das hängt natürlich vom Einsatzzweck und den Witterungsverhältnissen ab. Aus Sicherheitsgründen empfehlen aber so ziemlich alle Automobilclubs, auch Anhänger mit Winterreifen auszustatten. Winterreifen können am Alpine-Symbol erkannt werden. Das ist ein kleines Piktogramm, welches aus einem Berg mit Schneeflocke darin besteht. Alle Winterreifen die seit 2018 produziert werden, müssen mit dem Alpine-Symbol versehen werden. Die früher gängige Bezeichnung M+S unterliegt hingegen keiner standardisierten Prüfung und wird spätestens ab September 2024 nicht mehr anerkannt. Einen Kompromiss aus Sommer- und Winterreifen stellen Ganzjahresreifen dar, welche häufig auf Anhängern montiert werden.
Regelmäßige Wartung
Damit ein Reifen möglichst lange hält, ist es wichtig diesen hin und wieder auf Schäden zu kontrollieren und zu pflegen. Ein einfaches Mittel Reifen zu kontrollieren ist die Sichtprüfung. Dabei achten wir vor allem auf folgende Punkte:
- Wieviel Profil hat der Reifen noch?
- Sind Schäden sichtbar?
- Sind Risse oder poröse Stellen sichtbar?
- Wie alt ist der Reifen?
- Weisen Felge oder Ventil Schäden auf?
- Stimmt der Luftdruck?
Der Gesetzgeber schreibt in Deutschland für Reifen eine Mindestprofiltiefe von 1,6 mm vor. Die Profiltiefe lässt sich mit einem speziellen Profiltiefemesser ermitteln. Außerdem verfügt fast jeder Reifen über kleine Gummihügel in den Profilrillen, die so genannten Tread Wear Indicator (TWI). Diese Verschleißanzeiger markieren die Grenze, an der das Profil zu stark abgefahren ist. Die meisten Automobilclubs empfehlen übrigens den Reifen schon bei einer Profiltiefe von etwa 3 - 4 mm zu wechseln und nicht bis auf die gesetzliche Vorgabe abzufahren.
Weist ein Reifen Beschädigungen auf, sollten diese genauer untersucht werden. Hat man sich zum Beispiel einen Nagel oder anderen spitzen Gegenstand in den Reifen gefahren, kann es schnell zu einem Platten oder Reifenplatzer kommen. Manchmal lassen sich Reifen noch reparieren. Ist ein Reifen schon älter, lohnt sich das aber in der Regel nicht. In jedem Fall ist man mit einem Wechsel auf der sicheren Seite. Das Gleiche gilt für Risse oder poröse Stellen. Diese deuten häufig auf einen älteren Reifen hin, bei dem der Weichmacher sich verflüchtigt. Auch aggressive Reiniger und Umwelteinflüsse können das Material angreifen. Sind Felge oder Ventil beschädigt, ist es ratsam diese zu ersetzen.
Unabhängig von der Nutzung altern Reifen. Wie schon weiter oben geschrieben ist es für eine 100 km/h-Zulassung sogar Pflicht, dass der Reifen nicht älter als sechs Jahre ist. Aber auch sonst sollten überalterte Reifen ausgetauscht werden. Das dienst sowohl dem Komfort als auch der Sicherheit.
Neben der Sichtkontrolle gehört die regelmäßige Überprüfung des Luftdrucks zu einer guten Reifenwartung. Der richtige Reifendruck erhöht die Lebensdauer und spart Benzinkosten. Außerdem tragen Reifen auch am Anhänger schnell viele hundert Kilogramm Gewicht. Um auch in Extremsituationen die Kontrolle zu behalten, ist es daher wichtig, den Reifendruck entsprechend anzupassen. Ein Großteil der Unfälle durch Reifenplatzer sind auf einen zu niedrigen Reifendruck zurückzuführen.
Reifenpflege
Schlechte Straßen, Schmutz, UV-Strahlung - ein Reifen muss eine Menge aushalten. Wenn wir schon dabei sind, den Reifen einer Sichtprüfung zu unterziehen, sollten wir diesen auch regelmäßig reinigen. Allzweckreiniger, etwas Wasser und ein Schwamm oder eine Bürste reichen dazu schon aus. Einfach den Dreck von Reifen und Felge waschen und der Reifen wird es mit einer längeren Lebensdauer danken. Steht ein Anhänger etwas länger ungenutzt, kann es auch helfen, die Reifen abzudecken, damit diese nicht permanent der UV-Strahlung ausgesetzt sind. Außerdem sollte der Anhänger regelmäßig bewegt werden, um einem Standplatten vorzubeugen. Falls die Möglichkeit besteht, kann der Anhänger auch aufgebockt werden, um die Reifen zu entlasten.
Fazit
Reifen sind ein wichtiges und häufig vernachlässigtes Bauteil des Anhängers. Der einzige Kontakt zur Fahrbahn und entscheidend für eine ruhige Fahrt und gute Bremskraftübertragung. Ein plötzlich geplatzter Reifen kann schnell verheerende Folgen haben, die sicher niemand erleben möchte. Die Wahl des richtigen Reifens und regelmäßige Wartung und Pflege können helfen, solche Situationen zu vermeiden. Die Reifen an Zugfahrzeug oder Anhänger zu vernachlässigen, heißt auch immer die eigene Sicherheit zu vernachlässigen. Darum sind Zeit und Ausgaben für gute Reifen und regelmäßige Pflege sicher gut investiert. In diesem Sinne allen stets eine ruhige und sichere Fahrt.
Bei Fragen oder Anmerkungen schreibt uns gerne in den Kommentaren!
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